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"Es muss Schluss sein mit der Verharmlosung der deutschen Linkspartei: Wer die Pressefreiheit angreift, gehört nicht zur politischen Mitte
In Deutschland glauben manche Bürgerliche, die Linkspartei sei staatstragend. Sie irren. Eine Partei, die es hinnimmt, dass ihre Mitglieder immer wieder rote Linien überschreiten, ist kein akzeptabler Partner.
Die deutsche Linkspartei hat sich eine politische Erzählung zurechtgelegt, die sie bei jeder Gelegenheit ausbreitet. Sie lautet so: Nur mit ihr sei es sicher, dass die Demokratie in der Bundesrepublik überlebe. Denn es seien die Rechten, die demokratische Institutionen angriffen.
Bei manchen Bürgerlichen haben die Sozialisten damit Erfolg. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther von der CDU meint etwa, von der Linkspartei gehe keine Gefahr aus.
Andere Christlichdemokraten verweisen darauf, die Linkspartei habe die Kanzlerwahl des Christlichdemokraten Friedrich Merz und die Wahl neuer Verfassungsrichter ohne Gegenleistung ermöglicht. So schlimm könne sie nicht sein. Aber Günther und seine Mitstreiter irren. Dass die Linkspartei für Bürgerliche kein akzeptabler Partner ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, wie sie in ihren eigenen Reihen mit Angriffen auf die Pressefreiheit umgeht.
In der vergangenen Woche hielt ein Berliner Bezirksverband der Linkspartei eine Veranstaltung ab, bei der die Parteispitze hätte aufhorchen müssen. Darin ging es um das von vielen Linken abgelehnte Online-Medium «Apollo News». Mehrere Parteimitglieder besprachen, wie sie dieser unliebsamen Redaktion «auf die Tasten treten» könnten. Sie planten Störaktionen. Und sie überlegten, wie man «Leute», die bei diesem Medium «anbandeln» wollten, einschüchtern könne.
Eine autoritäre Definition von Pressefreiheit
Die Berliner Parteimitglieder riefen nicht offen zur Gewalt auf, aber jeder wusste, was gemeint war: In «unserem Kiez», so der Tenor, habe dieses Medium nichts zu suchen. Es ging ihnen darum, nicht genehme Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Sicher, eine Bundespartei kann unmöglich über alles informiert sein, was ihre Einzelverbände treiben. Aber sie kann sie zur Ordnung rufen, wenn sie rote Linien überschreiten. Sie hat das unterlassen. Wer als Journalist die Parteispitze wegen der Veranstaltung kontaktierte, erhielt die flapsige Antwort, der Bezirksvorsitzende Moritz Warnke werde sich schon dazu äussern. «Da scheint mir das gut aufgehoben zu sein», so ein Sprecher.
Warnke äusserte sich. Er teilte mit, «Apollo News» sei aus seiner Sicht kein «normales Presseerzeugnis», und verteidigte die Veranstaltung. Zwischen den Zeilen heisst das: Was ein normales Medium ist, das bestimmt die Partei. Und Medien, die aus dieser Definition herausfallen, können guten Gewissens in ihrer Arbeit behindert werden. Die Parteispitze rund um die Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken hat Warnke nicht widersprochen.
Das lässt tief blicken – denn diese Logik ist nicht demokratisch, sondern autoritär. Die Pressefreiheit gilt entweder für alle, oder sie gilt gar nicht. Eine Partei, die das nicht anerkennt, ist weder staatstragend, noch gehört sie zur politischen Mitte.
Staatstragend? Von wegen
Dass sich die Linken-Parteispitze in einer derart zentralen Frage fahrlässig verhält, ist kein Zufall. Vor nicht einmal einem Monat billigten Mitglieder der Linksjugend in mehreren Beiträgen in sozialen Netzwerken die Ermordung des nationalreligiösen amerikanischen Aktivisten Charlie Kirk an einer Diskussionsveranstaltung in Utah. «Rot in hell», «Verrotte in der Hölle», lautete der Kommentar der Linksjugend aus Hanau. Sie lud dazu ein Foto hoch, auf dem Kirk mit seiner Tochter zu sehen war.
Von sich aus sagte dazu die Parteispitze gar nichts. Dann verurteilte sie die Beiträge auf Nachfrage halbherzig. Die Linken-Spitzenpolitikerin Heidi Reichinnek sah sich in der Pflicht, darauf hinzuweisen, dass Kirks Ansichten «problematisch» gewesen seien. Als spielte das bei einem politischen Mord auch nur die geringste Rolle.
Die Linkspartei wirft der radikalen Rechten vor, demokratische Grenzen zu überschreiten. Dabei sitzt sie im Glashaus. Auch sie trägt dazu bei, dass die politische Kultur in Deutschland Schritt für Schritt erodiert.
«Staatstragender als die CDU» titelte die linksalternative «TAZ», als die Linkspartei im September den Weg zu neuen Verfassungsrichterwahlen frei machte. Von wegen.
Achja.. die guten Verteidiger der Demokratie und ihre merkwürdige Defintion von (Presse-)Freiheit